Zylindrische σ-Algebra

Die zylindrische σ-Algebra ist eine σ-Algebra, welche durch die Zylindermengen eines Vektorraumes erzeugt wird. Die Zylindermengen hängen von einem Raum von linearen Funktionen ab, dies kann zum Beispiel der topologische Dualraum sein, die zylindrische σ-Algebra ist dann die kleinste σ-Algebra, so dass diese Funktionen messbar sind. Die zylindrische σ-Algebra ist eine Teilmenge der borelschen σ-Algebra und im Allgemeinen nicht gleich.

Definition

Sei X {\displaystyle X} ein reeller Vektorraum, F {\displaystyle F} ein linearer Raum von linearen reellen Funktionen auf X {\displaystyle X} und B ( R n ) {\displaystyle {\mathcal {B}}(\mathbb {R} ^{n})} die borelsche σ-Algebra. Wir nennen eine Menge der Form

Z f 1 , , f n , B := { x X : ( f 1 ( x ) , , f n ( x ) ) B } {\displaystyle Z_{f_{1},\dots ,f_{n},B}:=\{x\in X:(f_{1}(x),\dots ,f_{n}(x))\in B\}}

für f 1 , , f n F {\displaystyle f_{1},\dots ,f_{n}\in F} und B B ( R n ) {\displaystyle B\in {\mathcal {B}}(\mathbb {R} ^{n})} eine F {\displaystyle F} -Zylindermenge. Man nennt B {\displaystyle B} die Basis des Zylinders und f 1 , , f n {\displaystyle f_{1},\dots ,f_{n}} seine Erzeuger.

Die Familie aller F {\displaystyle F} -Zylindermengen notieren wir mit Z y l ( X , F ) {\displaystyle {\mathcal {Zyl}}(X,F)} .[1] Diese ist im Allgemeinen nur eine Algebra und wird zylindrische Algebra genannt. Die kleinste σ-Algebra, die Z y l ( X , F ) {\displaystyle {\mathcal {Zyl}}(X,F)} enthält, ist die σ-Algebra

E ( X , F ) := σ ( F ) = σ ( Z y l ( X , F ) ) {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,F):=\sigma (F)=\sigma ({\mathcal {Zyl}}(X,F))}

und wird zylindrische σ-Algebra oder auch F {\displaystyle F} -zylindrische σ-Algebra genannt. Weiter gilt[2]

E ( X , F ) B ( X ) . {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,F)\subseteq {\mathcal {B}}(X).}

Schreibt man nur E ( X ) , {\displaystyle {\mathcal {E}}(X),} dann meint man in der Regel einfach die σ-Algebra aller Zylindermengen von X {\displaystyle X} .

Wichtiger Spezialfall

Sei X {\displaystyle X} ein lokalkonvexer Raum und F X {\displaystyle F\subseteq X'} , wobei X {\displaystyle X'} der topologische Dualraum ist. Die zylindrische σ-Algebra E ( X , X ) {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,X')} ist gerade die kleinste σ-Algebra, so dass alle stetigen linearen Funktionale messbar sind.[2]

Oder in anderen Worten, die σ-Algebra wird durch die Mengen der Form

{ x X : f ( x ) < c } {\displaystyle \{x\in X:f(x)<c\}}

mit f X {\displaystyle f\in X'} und c R {\displaystyle c\in \mathbb {R} } erzeugt.

Vergleich zu anderen σ-Algebren

Im Allgemeinen gilt

E ( X , F ) B 0 ( X ) B ( X ) , {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,F)\subseteq {\mathcal {B}}_{0}(X)\subseteq {\mathcal {B}}(X),}

wobei B 0 ( X ) {\displaystyle {\mathcal {B}}_{0}(X)} die bairesche σ-Algebra ist.

Ist zum Beispiel X = R T {\displaystyle X=\mathbb {R} ^{T}} und T {\displaystyle T} überabzählbar, dann gilt E ( X , F ) < B ( X ) {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,F)<{\mathcal {B}}(X)} .[3]

Für den topologischen Dualraum gilt

E ( X , X ) E ( X , X ) B ( X ) . {\displaystyle {\mathcal {E}}(X',X)\subseteq {\mathcal {E}}(X',X'')\subseteq {\mathcal {B}}(X').}

Gleichheit zur borelschen σ-Algebra

  • Ein Lindelöf-Raum X {\displaystyle X} heißt erblich, wenn jeder seiner offenen Unterräume auch ein Lindelöf-Raum ist. Sei X {\displaystyle X} ein lokalkonvexer Raum, der hausdorff und auch ein erblicher Lindelöf-Raum ist. Dann gilt folgende Gleichheit
E ( X , X ) = B ( X ) . {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,X')={\mathcal {B}}(X).} [4]
  • Ist X {\displaystyle X} ein separabler Fréchet-Raum (insbesondere jeder separable Banach-Raum) und Γ X {\displaystyle \Gamma \subseteq X'} eine Menge, welche die Punkte in X {\displaystyle X} trennt (d. h. für jedes x 0 {\displaystyle x\neq 0} existiert ein f Γ {\displaystyle f\in \Gamma } mit f ( x ) 0 {\displaystyle f(x)\neq 0} ), so gilt
E ( X , Γ ) = B ( X ) . {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,\Gamma )={\mathcal {B}}(X).}
Insbesondere gilt wegen des Satzes von Hahn-Banach für einen separablen Fréchet-Raum
E ( X , X ) = B ( X ) . {\displaystyle {\mathcal {E}}(X,X')={\mathcal {B}}(X).} [5][3]

Gleichheit zur baireschen σ-Algebra

Es gilt

B 0 ( X ) = E ( X , C b ( X , R ) ) , {\displaystyle {\mathcal {B}}_{0}(X)={\mathcal {E}}(X,C_{b}(X,\mathbb {R} )),}

wobei C b ( X , R ) {\displaystyle C_{b}(X,\mathbb {R} )} der Raum der stetigen und beschränkten Funktionen ist.[6]

Literatur

  • Wladimir I. Bogatschow: Measure Theory. Hrsg.: Physica-Verlag. Band 2, 2007. 
  • N. N. Vakhania, V. I., Tarieladze, S. A. Chobanyan: Probability Distributions on Banach Spaces. Hrsg.: Springer. Dordrecht 1987. 

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. N. N. Vakhania, V. I., Tarieladze, S. A. Chobanyan: Probability Distributions on Banach Spaces. Hrsg.: Springer. Dordrecht 1987, S. 3–4. 
  2. a b Wladimir I. Bogatschow: Measure Theory. Hrsg.: Physica-Verlag. 2007, S. 117. 
  3. a b Wladimir I. Bogatschow: Gaussian Measures. Hrsg.: American Mathematical Society. 1998, ISBN 1-4704-1869-X, S. 374. 
  4. Itaru Mitoma, Susumu Okada und Yoshiaki Okazaki: Cylindrical σ-algebra and cylindrical measure. In: Osaka University and Osaka Metropolitan University, Departments of Mathematics (Hrsg.): Osaka Journal of Mathematics. Band 14, Nr. 3, 1977, S. 640 (Theorem 3.6). 
  5. N. N. Vakhania, V. I., Tarieladze, S. A. Chobanyan: Probability Distributions on Banach Spaces. Hrsg.: Springer. Dordrecht 1987, S. 17. 
  6. N. N. Vakhania, V. I., Tarieladze, S. A. Chobanyan: Probability Distributions on Banach Spaces. Hrsg.: Springer. Dordrecht 1987, S. 4.